1979: wahlkampfrede 1, neue zeit

Early Conflicts. Beispiel: performative Wahlkampfrede, Mai 1979. Zuerst von einem Bezirksamt in Wien, dann von einem Bürgermeisteramt in Linz verhindert, schließlich unter Ausschluß der Öffentlichkeit als Videoperformance in den Sanitärräumen der Galerie "MAERZ" realisiert.
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Karl Wiesinger:
Freiheit oder Wie die VP so die SP


Zuerst in Wien wollte der junge Autor Christian Ide Hintze, 25, die "Wahlkampfrede eines Dichters" halten: Die in Reimen ästhetisch formulierten Gedanken eines jungen Mannes, der an diesem seit Jahrzehnten oberflächlichsten Wahlkampf Zweifel anmeldet. In Wien war es ein VP-Bezirksvorsteher (Heinz, Wien 1), der von Vorwahlgesprächen und von der Verwendung der Fußgängerzone "andere Vorstellungen" hatte. Vor der ORF-Kamera allerdings tönte er dann ganz anders. Wahlwirksam. Sprach von Freiheit und Kultur und lud den Autor – in sein Auto ein.

In Linz übernahm die repressive Rolle das SP-Rathaus. Autor Hintze war vom Künstlerbund "März" eingeladen worden, am 2. Mai seine "Wahlkampfrede" zu halten. Die polizeiliche Anmeldung war ordnungsgemäß durchgeführt. Dann aber kam ein Anruf aus dem Rathaus beim "März"-Präsidenten Riedl. Es könne der "März" eventuell seine Subventionen verlieren, wenn diese Veranstaltung stattfindet ...  (Der "März" bekommt für 40 Veranstaltungen im Jahr von der Stadt 25.000 (!) Schilling.)

Diesem Druck mußten Autor und "März"-Verein nachgeben. Die Veranstaltung wurde unter dem Ausschluß der Öffentlichkeit abgehalten. Im (WC) Sanitärraum.


(Karl Wiesinger in: Neue Zeit - Oberösterreich, Volksstimme, 4. Mai 1979)