christian ide hintze: biographie

Biographie                   englisch    foto

Christian Ide Hintze, 1953 in Wien geboren, arbeitete 1972 als Reinigungskraft, Prospektverteiler und Schlüsselwärter für die Olympischen Spiele in München, zog danach als Super-8-Filmer und Straßensänger durch Skandinavien, England, Frankreich und Spanien und studierte von 1973-79 Theater- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien. Er ist Autor von Audio-, Video- und Performance-Gedichten, von Zettel-, Plakat- und Buchtexten, von Filmen, Aktionen und Songs. Hintze propagiert die kleinschreibung, organisiert sprachpolitische Veranstaltungen und fungiert seit 1992 als Direktor der "schule für dichtung in wien".         Kommentare

Publikationen
Der Blick aus meinem Fenster (Super-8-Film 1973), Zettel (Flugblätter 1974-78), mmm (Zeichnungen 1983), I-Tetralogie (Papier/Audio/Video/Video 1984), LI-TE (Installation im öffentlichen Raum 1984), Die goldene Flut (Buch 1987), 30 Rufe (CD 1992), Schreiben im Wasser (Übung 1998), [ampf] (CD 2000), "Autoren als Revolutionäre" (Buch 2002), Link Love (TV Song 2004), nantzn (DVD 2010), hu (partitur / theaterstück 2011).

Poetik
Hintzes Poesiebegriff ist geprägt von den Spannungsfeldern "analog / digital" und "eigene Sprache / fremde Sprache" und wird in 7 Kategorien dargestellt: akustisch, visuell, literarisch, performativ, interaktiv, infrastrukturell und instruktiv. Hintze betrachtet die Genesis der Poesie in 3 Etappen: 1. mythisch: oral-performative Poesie. 2. historisch: literale Poesie. 3. digital: multimediale Poesie.

Die Audio/Videogedichte
Hintzes "magnetische Gedichte" oszillieren zwischen semantischen und asemantischen Strukturen, sind mehrsprachig und werden sowohl in standardisierten als auch in nicht-standardisierten Sprachen verfasst. Die Videopoeme bewegen sich im Kontext Körper-Stimme-Situation und sind aus den Grundelementen Graphem, Phonem und Geste gebaut. Die Audiopoeme folgen den Möglichkeiten von Mono und Stereo, von 1-Spur-, 2-Spur- und Mehrspur. "Manche loten konkretistisch das Klangmaterial der Sprache aus und spielen mit rhythmischen Mustern, einige bleiben dabei witzig unterhalb der Sinnschwelle. Viele fassen aber lyrische Kompositionen von grosser Prägnanz." (Neue Zürcher Zeitung).
"Zuweilen bewaffnet er sich auch mit raffinierter Soundbearbeitungssoftware, womit er die Möglichkeit hat, Hintze mit Hintze zu koppeln." (Vorsichtmusik)

Die literarischen Gedichte
(am Beispiel von "Die goldene Flut", Buch, Kiepenheuer & Witsch, Köln 1987)
"Pindar, Klopstock, Whitman, Rilke, Eliot, Ginsberg, Brinkmann. In diese Tradition gehört Hintzes Buch 'Die goldene Flut'." (Stuttgarter Zeitung)
"Grandios die abschließende (elfseitige) Anrufung Sapphos und ihrer "bunten Thrones ewige Aphrodite." (Südddeutsche Zeitung)
"Das Vielvölkergemisch Wiens scheint sich unmittelbar auf das formale Prinzip der Verflechtungen ausgewirkt zu haben, nach dem die Texte der 'Goldenen Flut' organisiert sind." (Neue Zürcher Zeitung)
"Seine Suchaktionen haben etwas gemein mit den besten Äußerungen des "exteriorismo" der nicaraguanischen Poesie (Cardenal, Coronel Urtecho) oder der verletzenden Ungezwungenheit der US-amerikanischen "Beatnik"-Bewegung." (Granma, Havanna)
"Er ist immer für diejenigen aufgestanden und hat immer diejenigen gepriesen, die für Würde, Bescheidenheit und Sanftheit stehen, und hat diejenigen bekämpft, die ihre Macht für die Unterdrückung anderer mißbrauchen." (Van Hoc, Hanoi)

Die performativen Gedichte
(am Beispiel von "nantzn", DVD, modena / [a:o], Wien 2010):
nantzn sind Nonsens-Gedichte in dem Sinn, dass sie außerhalb von syntaktischen oder semantischen Standards entstehen. Sie folgen einem Metrum des Atemgangs, der Geste und des Pulsschlags, des Blinzelns, des Stolperns und des Sprechens, einem Metrum physiologischer Prozesse und situativer Szenerien. nantzn sind poeto-gymnastische Vokaldramatisationen.
"befremdlich und auch beängstigend macht er in so mancher seiner per- (oder richtiger:) Transformances sichtbar, welch zum Zerreißen dünne Zivilisationshaut uns die Aufklärung verpaßt hat." (Julian Schutting, Wien 2010)
"Der österreichische Dichter Ide Hintze ist Teil einer Erneuerungsbewegung innerhalb der Poesie. Er ist es, der unser Augenmerk auf die gestische Sprache der Zukunft lenkt, in der die Verse in ihre physischen und akustischen Formen konvertiert werden." (El Colombiano, Medellín 1995)
"Christian Ide Hintze, ein österreichischer Lyriker, Audio-, Video- und Performance-Poet, begeisterte das Publikum des internationalen Literaturfestivals von Novi Sad mit seinem ungewöhnlichen Auftritt. Hintze sprach Gedichte, tanzte auf der Bühne, spielte ein selbstgebautes Instrument und präsentierte eine Theorie ... " (Vecernje Novosti, Belgrad 2008)

Die "Polis der Poeten"
(am Beispiel von "Autoren als Revolutionäre". Dialoge mit Gioconda Belli, Allen Ginsberg, Mircea Dinescu u.a. Buch, edition selene, Wien 2002):
"Entlang der zwei Pole "Autoren für Autorenrechte" und dem Slogan "Ende der Schriftkultur" entwickeln sich Dialoge, die eine Menge konkreter Konzepte und Informationen enthalten (...). Die Fragen nach den Beziehungen der Poesie zu politischen Revolutionen, Sexualität, der Lehr- und Lernbarkeit, die Fragen nach den konkreten Möglichkeiten der Veränderung der Schreib- und Existenzbedingungen von Autoren eröffnen Denkbereiche, die hierzulande im Literaturbetrieb nur allzu gern beschwiegen oder belächelt werden." (Der Standard, Wien 2002)

Konflikte
Hintzes Arbeiten als "Dichter der Straße" haben in den 1970er Jahren zahlreiche Konflikte mit Polizei und Behörden zur Folge. Er erhält Anzeigen wegen "Behinderung des Fußgeherverkehrs", "Störung der öffentlichen Ordnung" und "Verunreinigung von öffentlichen Gebäuden". 1976 wird er von Organen der Volkspolizei in Ostberlin – der damaligen Hauptstadt der DDR – verhaftet und verhört (unerlaubtes Verbreiten von Flugschriften auf öffentlichen Plätzen). 1978 folgen in Stuttgart der Hinauswurf von der Buchmesse (unangemeldetes Verteilen von Gedichtzetteln) und in Wien die Verurteilung wegen Sachbeschädigung (Bekleben des Burgtheaters mit Transparenten, Plakaten und Gedichten). 1979 wird seine performative "Wahlkampfrede" zuerst von einem Wiener Bezirksamt, danach von einem Linzer Bürgermeisteramt verhindert und findet schließlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit als Videoperformance in den Sanitärräumen der Linzer Galerie "März" statt. Im selben Jahr wird der unter der Regie von Alfred Kaiser entstandene Kinofilm "Zetteldämmerung" – ein auf den Straßen Deutschlands und Hollands gedrehtes Portrait des Künstlers – im Wiener "action-Kino" uraufgeführt.

Einflüsse
"Die Gedichte der Sappho. Die "Seherbriefe" von Arthur Rimbaud. Die Songs von Ma Rainy, Chuck Berry, John Lennon, Bob Dylan, Joni Mitchel, Jimi Hendrix. Die Anonymität von Bahnhöfen, Flughäfen und Fußgeherzonen. Die Flugschriften Georg Büchners. Die Sprechakttheorien von John L. Austin und John Searle. Das "Theater der Grausamkeit" von Jerzy Grotowski. Die Besetzung von Christiania. Die Sprachengeschichte Österreichs. Die persönlichen Begegnungen mit Christiane Schröder, Friederike Mayröcker, Ernst Jandl, H. C. Artmann, Emil Siemeister, Allen Ginsberg, Henri Chopin, Falco, Gerhard Rühm, Ed Sanders, Anne Waldman, Fernando Rendón, Haroldo de Campos, Ayu Utami. Die Gestik der Kubaner. Die taoistische Meditations- und Sexualpraxis. Das Museo del Oro. Das vietnamesische Wasserpuppentheater. Die olympischen Spiele." (CIH)