1979: wahlkampfrede 3, neues volksblatt

Early Conflicts. Beispiel: performative Wahlkampfrede, Mai 1979. Zuerst von einem Bezirksamt in Wien, dann von einem Bürgermeisteramt in Linz verhindert, schließlich unter Ausschluß der Öffentlichkeit als Videoperformance in den Sanitärräumen der Galerie "MAERZ" realisiert.
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u. k.:
Magistrat Linz will MAERZ-Festival keine Subventionen geben
Groteske um literarische "Wahlkampfrede"


Eine Groteske, wie sie jedem politischen Kabarett zur Ehre gereichen würde, leistete sich dieser Tage der Linzer Magistrat, genauer der Leiter der Kulturverwaltung. Die Sache ist so lächerlich, daß man ihr Zustandekommen eigentlich nur mit der allgemeinen Vorwahlhektik erklären kann und – dies ist freilich nur eine Vermutung unsererseits – wahrscheinlich auch gar nicht im Hirn des weisungsgebundenen Beamten entsprungen ist, sondern wahrscheinlich nur höheren (sprich: politischen) Orts dafür die Weichen gestellt wurden.

"Wahlkampfrede am Taubenmarkt" – unter diesem Titel kündigte das "Neue Volklsblatt" am Mittwoch eine geplante Aktion des Wiener Literaten Christian Ide Hintze an, der im Rahmen des "performance festivals" des MAERZ auf dem Taubenmarkt vierzig Minuten lang ausführen wollte, weshalb er zu den bevorstehenden Nationalratswahlen nicht gehen wird. Die Wahlkampfrede fand nicht statt – jedenfalls nicht in der geplanten Form, vor der Öffentlichkeit, sondern hinter verschlossenen Türen, ohne Publikum.

Den Grund für den Rückzug des literarischen Wahlkampfredners hatte wenige Stunden zuvor Univ.-Prof. Doktor Rausch geliefert, als er dem Präsidenten des MAERZ, Riedl, telefonisch bedeutete, daß er, Rausch, in seiner Eigenschaft als Kulturchef der Stadt, das Ansuchen um Subventionierung des "performance festivals" nicht unterstützen werde, weil es sich hier offenbar um eine parteipolitische Veranstaltung handle. Diesen "Verdacht" schöpfte Rausch messerscharf aus der Tatsache, daß die Lesung nur von einer einzigen Zeitung, eben vom VP-"Volksblatt", angekündigt wurde (die anderen Zeitungen waren darüber übrigens ebenfalls informiert worden).

Riedl empfahl daraufhin, die Veranstaltung abzusagen, zumal ja der MAERZ in diesem Fall gar nicht als eigentlicher Veranstalter fungierte. Hintze war vom Lehrbeauftragten der Linzer Kunsthochschule, Wolfgang Sator, eingeladen worden. Da das "performance festival" des MAERZ eine offene Veranstaltung sein sollte, die viele Anregungen und Impulse geben soll und zu der auch andere Künstlergruppen kooptiert werden sollen, fand der MAERZ auch nichts dabei, zur Hintze-Lesung auf seinem Briefpapier einzuladen.

In einer zwei Stunden dauernden Diskussion versuchten am Donnerstagnachmittag die beiden Kontrahenten die Fronten zu klären. Univ.-Prof. Rausch führte unter anderem aus, daß er sich von den Veranstaltern des "performances" übertölpelt fühle, weil die Hintze-Lesung vorher nicht eingeplant gewesen wäre. Der MAERZ wiederum wies darauf hin, daß für jede neu hinzukommende Veranstaltung noch Extra-Subventionsansuchen nachgereicht werden müßten. Überdies wolle er auf die von ihm eingeladenen Künstler keinen zensorischen Druck ausüben.

Obwohl bei der Diskussion die Zweifel ausgeräumt werden konnten, daß es sich hier um eine parteipolitische Veranstaltung handle, ist nicht klar, ob der MAERZ nun auf Subventionierung des Festivals durch den Magistrat rechnen kann. Die "performance"-Veranstalter hoffen, vielleicht nach den Wahlen mit den Herren der Kulturverwaltung besser (sprich: vernünftiger) reden zu können.

Zur Hintze-Veranstaltung wären übrigens nicht mehr als zwanzig, maximal dreißig Zuhörer gekommen. Daß die Veranstaltung jetzt erst durch das Verhalten der Kulturbeamten der Stadt so großes Interesse gefunden hat, war sicherlich nicht in ihrem Sinn.


(u. k. in: Neues Volksblatt. Linz, 5. Mai 1979)